Montag, 30. August 2004
Freiheit
12sek, Montag, 30. August 2004, 10:25

"du bist das allerletzte."
"du bist krank."
"du bist schizophren."
"du bist unberechenbar."
"du trittst die gefühle anderer mit füssen"
"du bist ... "

sie weiß, dass viele menschen so über sie denken.


"sie weiß, was sie getan hat und immer noch tut und niemals mehr ändern wird!"

und .... was hat sie getan? was tut sie? sie lebt ihre gefühle. hat das getan wonach ihr war. sie hat die norm gesprengt, vielleicht. ist anders als andere. aber will sie denn so sein wie die anderen? will sie denn in der brühe schwimmen in der alle schwimmen? nein, das will sie nicht. sie ist individualist. ist ein mensch der seine wege geht. ja, es passiert, das menschen dabei auf der strecke bleiben. aber ist sie nicht auch oft auf der strecke geblieben? viele, viele jahre lang? hat sie nicht auch immer geschaut, das sie everybody's darling war?
ja, das hat sie. konnte sich selber nicht treu sein. hat das getan, damit andere sie in die arme nahmen. aber waren diese arme wirklich echt?
war sie ehrlich?
nein, sie waren nicht echt und auch nicht ehrlich. sie hat eine rolle gespielt. eine rolle die ihr nie gefallen hat. auch sie wollte einmal raus aus ihrem schneckenhaus. wollte für sich dinge tun die ihr angst machen. wollte aufstampfen und sagen:
"weißt du was, mach doch deinen scheiß alleine!"
wollte das gefühl des frei seins erleben.

was kam war erst einmal ernüchterung. ihr schlechtes gewissen war stärker als das gefühl der freiheit. jetzt hatte sie zwar mit dem fuss aufgestampft und das getan wonach ihr war, aber gut fühlte sie sich immer noch nicht. wo war das gefühl, was sie sosehr erhofft hatte. wo war es, das ihr sagt:
"so, jetzt hast du endlich mal das getan, was du wolltest"
es war nicht da. sie schrie wütend auf. trat mit dem fuss vor die wand. wutschäumend lies sie sich auf den sessel fallen. tränen liefen ihr über die augen. sie wusste, das es ein weiter weg, ein weg - wieder - voller schmerz und leid sein würde, bis sie da ankam, wo sie hinwollte.
sie wollte zum schattenspringer werden.
zu einem menschen der seinen gefühlen nachgeht.
das tut, wonach er sich fühlt. dabei aber darauf zu achen, das er die menschen, die er liebt nicht verletzt.
würde das überhaupt gehen? würden nicht viele auf der stecke bleiben. sie verständnislos anschauen und ihr den rücken kehren?

sie wusste, das es so sein würde, aber das war ihr egal. die menschen denen sie wichtig war würden bleiben, egal, wie sie sich verhält. sie würden erkennen, das es ihr um die echtheit geht. nicht um mehr, aber auch nicht um weniger.

mehr und mehr entwickelte sie sich. mehr und mehr bekam sie die resonanz die sie erhofft hatte.
sie lebt ihre gefühle. sie lebt sie aus. sie schreit wenn ihr nach schreien ist. sie weint, wenn ihr nach weinen ist.

sie erinnert sich an eine begebenheit:

mitten in einer sitzung steht sie auf. bedankt sich und verlässt den raum. alle sitzen da. verwundert irritiert. sie geht einfach raus. ein gesprächspartner steht auf. folgt ihr. spricht sie an:
"entschuldigung. warum gehen sie denn jetzt. wir sind doch noch nicht fertig."
sie schaut ihn an. voll in die augen. ihr blick ist hart und unerbittlich.
"sie sind vielleicht nicht fertig. ich bin es schon. es gibt auch menschen, die über ihnen sitzen. ich suche mir meine gesprächspartner aus. und wenn es um das wohl meines kindes geht, dann verschwende ich keine zeit für sinnlose, raumfüllende worte, die nichts bringen!"
sie hat den blick nicht einmal von ihr genommen. sie dreht sich um und geht. er steht da verdutzt und verdattert.

fühlte sie sich wohl nach dieser aktion? sie zittert innerlich. langsam tritt dieses gefühl nach außen. lässt ihre hände in einen wahren schüttelfrost fallen. sie ermahnt sich zur ruhe. atmet tief durch. schließt die türe ihres autos auf und setzt sich in auf das weiche polster. sie hatte es geschafft. hatte diesen menschen die stirn geboten. ein harter weg. der ging in einen löwenkäfig wäre einfacher gewesen.

langsam fühlt sie, wie sie sich entspannt. wie das zittern abklingt. sie schaut in den innenspiegel ihres wagens. schaut in ihr gesicht. es ist hart und versteinert. langsam entspannen sich auch ihre gesichtszüge. sie werden weicher und weicher. sie will den wagen starten. eine dame, die ebenfalls an dem gespräch teilgenommen hat, kommt aus dem gebäude gelaufen. kommt auf sie zu. tritt an ihre beifahrertüre und bitte, das fenster hinunterzukurbeln. sie tut es. langsam verschwindet die scheibe im inneren der türe.
"ja. was möchten sie."
wieder nimmt ihr ton eine gewisse härte an.
"ich möchte sie bitten, wieder hineinzukommen. ich denke, das wir zu ihrer zufriedenheit und zum wohle ihres kindes eine lösung finden werden!"
skeptisch schaut sie die dame an. schüttelt den kopf.
"nein. diese menschen wollen nicht für das wohl meines sohnes etwas erreichen. solange sie die schuld bei einem 10jährigen kind suchen solange sind sie nicht meine gesprächspartner."
"ich verstehe sie sehr gut. sie kämpfen um ihren sohn und sie können stolz auf sich sein. aber wir müssen zu einer lösung kommen."
sie hatte den blick nicht von der dame genommen. hört ihr zu. auch wenn das eines der vielen dinge ist, die ihr schwer fallen. aber sie hört zu. vernimmt jedes wort.
"ich habe ihnen gesagt mit welcher lösung ich einverstanden bin. wenn sie die nicht bewirken können so werde ich die nächsthöheren positionierten ansprechen. sie wissen selber, dass das die lösung für meinen sohn ist, die ihm gerecht wird. nur ist es ein großer schritt. und nur weil sie sich nicht trauen bleibt mein sohn auf der strecken. nein und nochmals nein. entweder so oder gar nicht. es gibt für mich keine zwischenlösung. beraten sie darüber und lassen sie mich ihre entscheidung wissen."
sie lässt die scheibe ihres wagens wieder hochfahren. die dame tritt zurück. irritiert von der art und weise wie sie ihr entgegengetreten ist.
sie startet den wagen. langsam rollte sie vor. die dame weicht wieder ein stück zurück. ihre schultern sinken. mit hängendem kopf geht sie zurück in das gebäude. zu den herrschaften die mit der weiterführung des gesprächs warteten.

tage sind vergangen. nichts war zu hören. sie fühlte sich gut. sie wusste, das sie gewonnen hatte. sie wusste, dass sie das, was sie für ihren sohn wollte, erreicht hatte.
ein brief liegt in ihrem briefkasten. sie öffnet ihn. ist gespannt. sie liest. klatscht in die hände. sie hat das bekommen was sie wollte ...

je mehr solche dinge geschehen. je mehr sie nach vorne tritt. hinter dem steht, was sie will um so mehr gewinnt sie. sicher, es gibt menschen die wenden sich von ihr ab. wollen nichts mit ihr zu tun haben.
aber das ist nicht mehr ihr problem. diese menschen müssen selber mit sich und ihren gefühlen klar kommen. sie ist nicht dafür verantwortlich. genau wie die anderen nicht für ihre gefühle verantwortlich sind.
jeder ist sein eigen glückes schmied. im schönen wie im unschönen. das ist das los, was man zieht, wenn man sich abgrenzen will ...

deshalb ist es ihr egal. die, die bleiben sind ihre freunde. es sind mehr, viel mehr als vorher. als zu der zeit als sie noch schön mitgeredet hat. als sie noch mitgeschwommen ist im sumpf.

heute schwimmt sie in ihrem gewässer. sie hat sich entschieden. sie entscheidet immer für sich wo und wie sie mit anderen mitschwimmen will. sie lässt nicht entscheiden, sie entscheidet.

viel freud, aber auch leid schimmen mit ihr. es gibt höhen und tiefen. aber es gibt einen hafen. einen hafen in dem sie immer wieder einfahren kann. ein hafen der ihr sicherheit und schutz gibt. sie selber hat diesen hafen geschaffen. die schiffe die dort vor anker liegen, liegen gerne dort. sie verweilen nicht wegen mitleid. wegen schlechtem gewissen. wegen ... ich muss nett sein.


nein, sie verweilen dort weil sie erkennen, dass dieser hafen ihnen genau die gleiche sicherheit gibt, den er ihr gibt. ein gemeinsamen ruhiges dahinplätschern. es ist schön. es ist angenehm. es ist befreiend.

es ist ihre freiheit ....

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