Montag, 6. September 2004
Schweinemast
12sek, Montag, 6. September 2004, 10:11

wenn sie doch nicht so unansehnlich wäre. wenn sie doch wieder etwas aus sich machen würde. sie ist so dick geworden. sie hat mindestens 20 kilo zu genommen. gut, sie hat ihm ein kind geboren. ein kind. ein mädchen und verdammt, er wollte kein mädchen. er wollte einen jungen. wollte mit ihm später, wenn er älter, das kind älter, war, auf den bolzplatz gehen. richtige jungenspiele spielen. räuber und gendarm, wenn es das überhaupt noch gibt. er wollte so vieles machen. aber doch nicht mit einem mädchen. mit einem jungen.

alle sagen:
"sei doch froh, das ES gesund ist."
wenn er diesen satz schön hört:
"... das ES gesund ist."
klar ist er froh darüber. klar möchte er nicht ein krankes kind all die jahre die es lebt versorgen müssen. aber das ist für ihn auch kein gedankenthema. nicht sein thema und somit ... weg damit.

aber sie, seine frau, wie sieht sie aus? das töchterchen ist bereits 9 monate alt und seine frau ist immer noch dieses unförmige, aufgequollene etwas, die nichts anderes mehr sieht, als babybrei, babywindeln und krabbelgruppe.

er, was ist mit ihm? er ist luft geworden. will er sie mal berühren weicht sie ihm aus. ja, sie scheint förmlich vor ihm zu flüchten.
er ist frustriert. sowas von frustriert, dass er sogar zu ihrer frauenärztin gegangen ist. er ganz alleine. hat sich einen termin geben lassen. hat im wartezimmer zwischen all den frauen gewartet. einige standen kurz vor ihrem mutterglück und er dachte sich nur:
"hoffendlich haben eure männer mehr glück mit euch ..."

er wartet. lässt die bicke, die ihm die damen zuwerfen über sich ergehen. und als er endlich aufgerufen wird kann er nicht umhin noch einmal sich umzudrehen. noch einmal in diesen warteraum zu blicken und dabei einen mitleidvollen blick zurückzuwerfen. sie werden sich noch wundern. werden noch merken wie es ist, wenn ihre männer unglücklich werden. unglücklich nicht, weil da ein kleines hilfloses bündel in einem aufgetüllten bettchen liegt, nein ... sondern weil ihre männer reißausnehmen werden, wenn sie so werden wie sie jetzt noch nicht sind.

er will nicht sagen, dass er schwangere frauen unatraktiv findet. nein, ganz im gegenteil. sie haben etwas. etwas anziehendes auch für ihn. aber wenn das kind draußen ist. wenn die frau befreit ist von dem ballast und das neue leben schreiend aber befreit in ihren armen liegt, dann muss gut sein. dann muss frau auch wieder an sich denken. an sich. an ihn und natürlich auch an das kind. aber er, er bleibt auf der strecke. als wenn er nur dazu da war seinen lebensspendenden saft abzugeben und damit sein eigenes schicksal besiegelt zu haben.

es wird ihm übel wenn er die fadenscheinigen erklärunge der ärztin hört.
"hormonumstellung. wochenbettdepression ..."
seine frau liegt schon seit 9 monaten nicht mehr im wochenbett. und was die hormone betrifft, so würde er ihr gerne nachhelfen. würde ihren hormonhaushalt wieder ins gleichgewicht bringen. er hat schließlich genug von dem zeug, dass er ihr geben kann, damit wieder alles ins lot kommt ... in sein lot.

er ist frustriert. verlässt die praxis und schlendert durch die stadt. er wird in seinem kopf nicht frei. immer und immer wieder kreisen seine gedanken um die frau, die er so sehr geliebt und irgendwo immer noch liebt. aber er merkt, dass die liebe zu zerbrechen droht.

das er einfach nicht mehr kann. das er einfach diesen schlabberhosen, schlabberpulli anblick nicht mehr ertragen kann. das dicke aufgedunsene gesicht. die schwabbelige haut. die haut- und speckfalten die über den hosenbund schwabbeln. die dicken oberschenkel die niemals mehr in hosengröße 38 passen werden. die mittlerweile hängenden brüste. von der die eine fast bis zum bauchnabel reicht. ungleich sind sie auch noch. wahrscheinlich hat das mädchen an der einen mehr gezogen als an der anderen. vorwegen nur hormonungleichgewicht ...

das er keine lust hat mit einer fragwürdigen zeitung mit einer noch mehr als fragwürdigen handbewegung seinen trieb zu befriedigen. dabei unachtsam neben die toilettenschüssel abspritzt anstatt hinein. das er selben den putzlappen schwingen muss um sein milchig, glibberige masse wegzuwischen. ja, es kotzt ihn an und er will, dass es wieder anders wird.

was ist aus dieser, seiner frau geworden? sie war schön. sie war schlank und sie hatte idiale. hatte fantasien. hatte alles, was er so sehr an einer frau liebte. und jetzt. alles war, scheint weg zu sein. nichts ist mehr so, wie es einmal gewesen ist.

20 kilo. was sind 20kilo. der bauer der ein schwein mäßtet freut sich über jedes kilo, was dazu kommt. aber er ist kein bauer. kein bauer, der ein schwein mäßtet. wenn er das gewollt hätte, dann würde er jetzt mit stinkenden stiefeln. grünem arbeitsanzug und ner schirmmütze durch den ebenso stinkenden stall laufen. die mistgabel schwingen. das fischmehl verfüttern und mit seinen aufgearbeiteten fingern den schweinen im arschloch rumwühlen um zu schauen ob der darmausgang auch nicht vorstopft ist, von der ganzen mäßterei.

sie will urlaub auf dem bauernhof machen. will der lieben kleinen, ihrem und seinem mädchen die natur zeigen. pah. wann ... mit 9 oder 10 monaten. scheußlich. er nähert sich immer mehr dem bauern und den schweinen. aber vielleicht hat er glück und es gibt dort kühe und kälbchen.

er will nicht nach hause gehen. will sich nicht wieder mit diesem elend welches ihn dort erwartet auseinandersetzen. er will sich überhaupt nicht damit auseinandersetzen und er ärgert sich darüber, dass er von seinen eltern so erzogen wurde, dass er eine familie nicht im stich lassen darf. das nichts heiliger ist, als eine familie.

so ein scheiß. so ein verdammter scheiß. er gehört schließlich auch zu dieser familie nicht nur sie und das mädchen. er hatte auch rechte. und was soll das heißen.
"in guten, wie in schlechten zeiten ..."
wenn er diesen satz schon hört. wieder so ein scheiß satz.

er will/muss sich was einfallen lassen. alles will/muss anders werden, sonst dreht er noch durch. wird unausstehlich und womöglich noch ungerecht. ungerecht ist aber auch nicht gut. nicht gut und seine mutter hat ihm immer vorgebetet niemals ungerecht zu sein.
seine mutter. ob sie genau so war wie seine frau jetzt ist. ob sie seinen vater auch ständig abgewiesen hat, wenn er sich nach zärtlichkeit sehnte? ob sie genau so dick und schwabbelig in schlabberhosen und pullis durch die wohnung gelaufen ist um ihre fettberge zu verbergen ...

er weiß es nicht. will es nicht wissen. und doch wird er ihn fragen, seinen vater. um dann - vielleicht - gemeinsam mit ihm zu trauern ....

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