Lebenslauf
12sek, Freitag, 3. September 2004, 13:17
gleichmäßig tritt er die pedalen des steppers. er hat es nicht eilig. er will keine weltrekorde brechen. muss nicht hunderte von kalorien verbrennen.
neben ihm eine frau. er schätzt sie auf etwas über 40. sie ist dünn. für seinen geschmack zu dünn. bei jedem tritt in die pedale des stepptrainers zeichnen sich ihre muskeln deutlich unter der tief gebräunten haut ab. kein gramm fett ist zu sehen. nur haut, muskeln und sehnen. eigentlich siehst sie alt aus. vielleicht ist sie viel jünger als das von ihm geschätzte alter.
sein blick fällt auf die zeitanzeige ihres trainingsgerätes. 58:47 minuten geißelt sie sich schon. sie schwitzt. das wasser rinnt ihr vom körper. ein hellblaues stirnband schützt ihr augen vom dem salzigen schweißwasser. sie tritt und tritt in einer rasenen geschwindigkeit.
er widmet sich seinem pulsmessgerät zu. diese dinger wird er nie ganz verstehen. mal gehen sie. mal gehen sie nicht. pötzlich hört er ein geräusch neben sich. es ist wie ein seufzen. er schaut hin und sieht, wie die arme der frau von den griffen gleiten. instinktiv springt er von seinem gerät. unterbricht jäh sein training. die frau sackt in sich zusammen. er fängt sie - selber halb stürzend - auf und lässt sie sanft zu boden gleiten.
die anderen trainierenden werden aufmerksam. einer springt unmittelbar nachdem er die frau zu boden hat gleiten lassen von seinem rudergerät auf und rennt ins trainerbüro. ohne auf den erstaunt und fragenden blick des dort sitzenden einzugehen wählt er die nummer des notarztes.
die frau liegt - immer noch regungslos - auf dem teppichboden. ihre bräune sieht erschreckent fahl aus. alles an ihr war plötzlich so anders. er schaut gebannt einem älteren mann zu, der versucht erste hilfe zu leisten. kein rütteln. kein schütteln ... nichts will die frau wieder zur besinnung kommen zu lassen.
es scheint stunden zu dauern, bis das martinshorn des herannahenden krankenwagen zu hören ist. er steht immer noch am gleichen fleckt. unfähig sich zu rühren. starrt nur auf die frau. plötzlich fällt ihm ein merkwürdig seeliger blick in ihrem gesicht auf. unmerklich. und doch sieht er es. er ist verunsichert. ein ungutes gefühl macht sich breit. er will nach vorne treten. will schreiben und rufen. die frau stirbt. verdammt tut doch etwas. er kann es nicht. als wenn eine hand sich um seinen hals gelegt hat. als wenn er nicht eingreifen darf.
der notarzt erreichen das studio. die trainingskollegen springen zur seite. wie, als wenn ein stromschlag sie getroffen hätte. mit sicheren handgriffen beginne die männer in ihrer rotweißen, unverkennbaren helferkleidung ihre arbeit. noch mitten in den wiederbelebungsversuchen des kollegen springt einer der beiden auf. rennt hinaus zum fahrzeugt. kommt mit einem koffer zurück. in dem koffer befindet sich ein elektroschockgerät. schnell und sicher wird es in bereitschaft gebracht und angesetzt.
die stromstöße fahren durch den körper der frau. lassen sie hochschnellen und wieder zu boden gleiten. einmal. zweimal. dreimal ... nichts.
er wendet sich ab. kann das bild nicht mehr ertragen. vor seinen augen immer noch der merkwürdige gesichtsausdruck dieser frau. er merkt, wie sich ein kloß in seinem hals bildet. wieder das gefühl als wenn hände seinen hals greifen und ihn unfähig machen etwas zu sagen.
aus sekunden werden minuten. aus minuten scheinen stunden zu werden. er atment durch. dreht sich um. er sieht die niedergedrückten schultern des notarztes. sieht dessen blick. sieht, wie er die umstehenen leute anschaut. einen nach dem anderen. dann sieht er ihn zu boden schauen. wieder hochschaut und - mit dem kopf schüttel ....
[Kopie aus Erstblog]