Wehklagen
12sek, Freitag, 3. September 2004, 17:46
sie sitzt zusammengekauert und schutzlos auf der straße. autos rauschen an ihr vorbei. den fahrern scheint es egal, dass sie dort sitzt. schutzlos. hilflos. alleine.
jeder windzug den die fahrzeuge erzeugen lässt ihre federn aufplustern. sie hat den kopf eingezogen. sie kann nicht weg. nicht fliegen. nicht fliehen.
ein auto hält am straßenrand. eine junge frau steigt aus. rennt auf die fahrbahn. greift nach ihr - dem kleinen hilflosen federbünde - und läuft wieder zurück zu ihrem wagen. die frau hat glück. ein LKW fährt mit unverminderter geschwindigkeit an ihr vorbei. macht nur einen kleinen schlenker. ihre haare werden aufgewirbelt sie erfährt einen stoß. was für eine kraft in einem vorbeirauschenden LKW steckt. sie atmet durch. ist froh, dass sie sicher am fahrzeug angekommen ist.
ihr mann öffnet ihr die türe. hilft ihr in den wagen und schaut sich das kleine - mittlerweile - schreiende federbündel an. sein blick ist mitleidvoll. die kleine eule schreit was das zeug hält. sie hat angst. todesangst in den händen, die sie festhalten.
zu hause angekommen. die frau steigt aus. immer noch schreit die kleine eule in ihrer hand. kinder rennen auf die straßen. wollen die mutter begrüßen. sie stocken. halten an. schauen in die hand der mutter. sind verzügt von der kleinen eule, die wie ein bündel die hände der mutter füllt.
die menschen sind ratlos. was sollen sie anfangen mit der kleinen eule. sie halten sie fest. nehmen sie mit ins haus. mit in den garten. die eule schreit ohne unterlass. die hilflosikgeit kennt keine grenze. und wieder ... was sollen sie tun ...
sie entscheiden sich für die schlechteste aller möglichkeiten. sie setzen die kleine, hilflose eule auf die wiesen. setzen sie der gefahr der heimischen räuber aus.
es wird dunkel. immer dunkler. die ganze nacht ist das hilflose schreien der kleinen eule zu hören. bis in die frühen morgenstunden findet die natur keine ruhe. das wehklagen scheint kein ende zu nehmen.
irgendwann. langsam geht die sonne auf. das gras ist vom tau benetzt. die schreie sind verstummt. ein großer schwarzer kater läuft über die wiese. in seinen maul trägt er etwas. es ist groß, es ist weißgrau und es ist ... tot.